aus senesuisse FOCUS 1/2022

Zusammen können wir die Lebensqualität der Bewohnenden steigern

Die Ernährung dient im Alter nicht nur dem Sättigungsgefühl, der Tagesstruktur und dem sozialen Austausch. Sie trägt auch wesentlich zur besseren Gesundheit bei, was wiederum die Lebensqualität erhöht. Es lohnt sich also, rund ums Essen und Trinken genauer hinzuschauen.

Im Alter kommt es zu physiologischen Veränderungen. Dazu gehören die Abnahme der Geschmacks- und Geruchswahrnehmung, der Speichelproduktion, der Muskel- und Knochenmasse und der ver- dauungsrelevanten Organe. Akute oder chronische Krankheiten können solche Prozesse beschleunigen oder verstärken. Dies begünstigt das Auftreten von Unterernährung, Osteoporose, Muskelabbau und Gebrechlichkeit.

Teufelskreis Fehlernährung

Mangelernährung ist mit zahlreichen negativen Parametern verknüpft: Vermehrte Infekte, Druckulcera, Stürze, verlängerte Hospitalisierungszeiten und schlechte Rehabilitationsergebnisse beeinträchtigen die Lebensqualität. Eine Gewichtsabnahme ist zudem oft eines der ersten Symptome einer Demenzerkrankung. Durch ernährungstherapeutische Massnahmen kann die orale Aufnahme positiv beeinflusst werden, was zu einer Verbesserung des Ernährungszustands und somit der Lebensqualität führt.

Auf Spurensuche in Institutionen

In einem Projekt in Alters- und Pflegeheimen konnte ich in Zusammenarbeit mit Pflege sowie Geriaterinnen und Geriatern die Bereiche der Essensversorgung und des Gewichtsverlusts von verschiedenen Bewohnenden unter die Lupe nehmen. Die Ursachen für die Gewichtsabnahme waren vielfältig: konsumierende Erkrankungen, altersbedingtes verfrühtes Sättigungsgefühl, Nebenwirkungen von Medikamenten oder auch Appetitlosigkeit aufgrund psychischer Belastung. Weder die Betroffenen noch die Pflege empfanden den Gewichtsverlust als besorgniserregend, da dies irrtümlicherweise als natürlicher Verlauf angesehen wurde. Der Zusammenhang zwischen Gewichtsverlust und erhöhter Gebrechen wurde nicht gemacht. Deshalb bemühten sich die Bewohnenden und die Pflege nicht um eine Ernährungstherapie. Bei genauerer Betrachtung, was die Betroffenen assen, ist Folgendes aufgefallen: Alle bestellten nur
eine halbe Portion, zum Teil wurde diese nicht vollständig gegessen oder einzelne Komponenten wurden auf Wunsch gar nicht serviert. Einige nahmen Frühstück und Abendessen in Eigenleistung ein, allerdings kochte niemand ein Menü. Es wurde nur Joghurt, Frucht oder Zwieback ein- genommen. Damit wird eine bedarfsgerechte Ernährung nicht erreicht.

Informationsaustausch fehlt oft

Wir haben festgestellt, dass in den Institutionen die Hinweise bezüglich der Essgewohnheiten, des veränderten Essverhaltens, des Ernährungszustands, des Stuhlgangs und des Gewichtsverlaufs weder dokumentiert noch zwischen den verschiedenen Diensten ausgetauscht wurden. Dies wäre aber für die Unterstützung der Bewohnenden sehr wichtig gewesen, um Massnahmen einleiten zu können. So wusste zum Beispiel der Reinigungsdienst, dass Herr G. seit einer Woche unter Diarrhö litt, und die Hotellerie berichtete, dass Frau T. seit einem Monat bei Getränken und der Suppe immer hustete. Der Küche fiel auf, dass Frau N. das Fleisch immer zurückgab. Das Thema Malnutrition ist also nicht nur das Thema der indexpositiven Bewohnenden.

Es geht auch anders

Sind alle involvierten Dienste sensibilisiert, wird der ärztliche Dienst schneller informiert, es werden Massnahmen getroffen und eine Ernährungsberaterin oder ein Ernährungsberater kann zu Hilfe geholt werden. Was das bringt, zeigt folgendes Beispiel: Herr R. war stets selbstständig und oft mit seinem Rollator unterwegs. Bei der Rückkehr ins Altersheim nach einer Femurfraktur fehlte ihm die Kraft, am Rollator zu gehen und er fühlte sich stark eingeschränkt. In Kooperation mit dem ärztlichen Dienst, der regelmässigen Physiotherapie und mir als Ernährungsberaterin gelang es, dass Herr R. wieder seine gewünschte Lebensqualität erlangen konnte. In Zusammenarbeit mit ihm und der Küche optimierten wir den Speiseplan. In seinem Fall waren lactosearme, aber proteinreiche Menüs die Lösung.

Karin Blum, Ernährungsberaterin SVDE, Mitglied der Fachgruppe Geriatrie beim Schweizerischen Verband der Ernährungsberater/innen, www.svde.ch

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